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08.07.2019 Post-Merger-Integration

Fünf Erfolgsfaktoren für eine Post-Merger-Integration

Ein geeignetes Zielunternehmen, Gesellschafter, die dem Management den Rücken stärken und ein guter Business Case – damit müsste das Fusionsprojekt nach Abschluss der Verhandlungen und Unterzeichnung der Transaktion nahezu wie von Zauberhand gelingen. Doch weit gefehlt: für eine Mehrzahl der Unternehmensübernahmen fangen die Probleme während der Integrationsphase erst richtig an. Zwei Drittel aller Fusionen und Übernahmen scheitern sogar. Mit den richtigen Vorkehrungen lassen sich die Erfolgschancen jedoch von Anfang an erhöhen.

Keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Unternehmensübernahmen

Die Integration von Unternehmen wartet mit einer Vielzahl höchst komplexer und interdisziplinärer Herausforderungen auf. Nicht nur das Management, sondern auch Führungskräfte und Mitarbeiter werden durch unerwartete Problemstellungen und kulturelle Konflikte während der Post-Merger-Phase regelmäßig an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht.
Eine allgemeine Formel, um die Ungewissheit und die hohe Arbeitsbelastung abzumildern, gibt es nicht, denn jede Fusion ist anders und zeichnet sich durch eine Fülle an Individualitäten aus. Nichtsdestotrotz gibt es unserer Erfahrung nach einige Faktoren, die den Erfolg einer Transaktion und somit die Realisierung von Synergieeffekten maßgeblich beeinflussen.

1. Setting the Stage – Klarheit durch Eckpfeiler

Im Vorfeld einer Unternehmenstransaktion tragen die Gesellschafter eine große Verantwortung: sie legen Rahmenparameter und Agenda (Ziele, Zeitplan, Entscheidungswege und -kompetenzen) fest. Insbesondere Fusionen, bei denen beide Alt-Unternehmen die operative Führung für sich beanspruchen und bei denen ein „Merger of Equals“ vereinbart wird, sind dabei nur äußerst selten erfolgreich – oftmals ist der Konsolidierungsdruck nicht groß genug und es bestehen Unklarheiten, unter wessen Kultur und Struktur der Zusammenschluss laufen soll. Sind die Eckdaten geklärt, ist durch das Management für eine operative und kulturelle Integration der beiden Unternehmensteile zu sorgen. Neben konkreten Zielbildern und Vorgaben zu strategischer Ausrichtung und Maßnahmenpaketen, welche Führungskräften und Mitarbeitern eine Perspektive sowie einen Handlungsrahmen aufzeigen, ist vor allem das entschlossene Vorleben einer funktionierenden Zusammenarbeit von hoher Bedeutung – Uneinigkeit an der Spitze („Clash of Egos“) feuert bestehende Animositäten in der Belegschaft weiter an und führt zu wachsender Unsicherheit.

2. Integration setzt Vertrauen voraus – Kernaufgabe des Managements

Über die Ziele der Fusion hinaus, sind es vor allem Dinge wie Arbeitsplatzsicherheit, Weiterbildungs- und Aufstiegschancen sowie Standortfragen, welche die Mitarbeiter beschäftigen. Im Rahmen der Integration werden in kurzer Zeit eine Vielzahl folgenschwerer Entscheidungen getroffen, z. B. zu zukünftigen IT-Systemen, Stellenbesetzungen, Markt- und Produktstrategien. Diese Entscheidungen offen und ehrlich zu kommunizieren, sie einzuhalten und entsprechendes Vertrauen für sie einzuwerben ist dringende Aufgabe des Managements.

Für das Gelingen der Integrationsbemühungen ist es jedoch auch von zentraler Bedeutung, dass das Management den Mitarbeitern Vertrauen ausspricht: diesen obliegt die operative Umsetzung gesetzter Ziele. Mitarbeiter sollten innerhalb des gesetzten Handlungsrahmens die Kompetenz haben, notwendige Entscheidungen zu treffen, um ihre jeweilige Aufgabe zu erfüllen. Durch echtes Delegieren, d. h. nicht nur das Übertragen von Aufgaben, sondern auch von Verantwortung, schaffen sich Führungskräfte zeitliche Freiräume und fördern darüber hinaus die Motivation der Mitarbeiter. Eine eindeutige Formulierung der Aufgabe, die Bereitstellung der benötigten Informationen und realistische Terminvorgaben sorgen dafür, dass die Aufgaben im Sinne der Führungskräfte erfüllt werden.

3. Erheblicher Informationsbedarf – Ad-hoc-Kommunikation reicht nicht aus

Die sich im Zuge des Zusammenschlusses einstellenden Veränderungen haben zunächst eine unwillkommene psychologische Auswirkung: das sogenannte „Merger-Syndrom“. Es beschreibt die Ängste und Sorgen betroffener Mitarbeiter im Hinblick auf einen möglichen Arbeitsplatzverlust oder die Veränderungen im Allgemeinen. Um die im Vorfeld der Transaktion quantifizierten Synergieeffekte heben zu können, müssen Mitarbeiter jedoch Vorteile aus der Zusammenarbeit ziehen können (und wollen).

Aus diesem Grund sollte das Management frühzeitig mit einer transparenten Informationsstrategie gegensteuern. Unserer Erfahrung nach kann dies in der erforderlichen Kontinuität und Breite nicht nebenbei geschehen – ein Kommunikationsteam, welches aktuelle Diskussionen und Ergebnisse aus dem Projekt in die Organisation trägt und gleichzeitig Feedback aus selbiger in das Projekt zurückleitet, ist aufzusetzen. Neben Glaubwürdigkeit und Authentizität steht die adressatengerechte Aufbereitung der Informationen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Im Projektalltag erleben wir häufig, wie offene und zeitnahe Kommunikation daran scheitert, dass diese für eine Vielzahl der Mitarbeiter nicht verständlich beziehungsweise nicht eindeutig genug ist. Diese Beobachtung wird auch durch Studien zu diesem Thema gestützt, die annehmen, dass Mitarbeiter im ersten Jahr nach einer Fusion im Durchschnitt zwei Stunden pro Tag mit der Verarbeitung von Gerüchten verbringen.

4. Reaktionen auf Veränderungen sind absehbar – Kreative Nutzung ist wichtig

Trotz ausgefeilter Kommunikationsstrategie schicken Ungewissheit und sich einstellende Veränderungen Mitarbeiter unweigerlich in ein „Wechselbad der Gefühle“. Das Management kann nicht gänzlich verhindern, dass sich diese Reaktionen einstellen, da es sich dabei um natürliche psychologische Prozesse handelt – vielmehr muss über die Kenntnis der verschiedenen emotionalen Stadien das Ziel verfolgt werden, die Schwingungsweite der negativen Reaktionen zu dämpfen, die Verweildauer in selbigen zu verkürzen und sich die Phase der Ablehnung zu Nutze zu machen. Eine Möglichkeit ist es, neu entwickelte Prozesse und Systeme durch konstruktive Kanalisierung der ablehnenden Haltung der Mitarbeiter einer intensiven und kritischen Prüfung zu unterziehen. Diese „innere Due Diligence“ hilft, Stolpersteine zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen. Auf der anderen Seite unterstützt die Anerkennung von (Zwischen-)Erfolgen die betroffenen Mitarbeiter dabei, den Wandel besser zu verarbeiten. Nicht zuletzt ist es von Vorteil, bei der Belegschaft besonders hoch angesehene Mitarbeiter für das Projekt zu gewinnen, damit diese als Multiplikatoren in die Organisation hinein wirken können.

5. Chancen und Grenzen der Innensicht – Begleitung effizient nutzen

Auch darüber hinaus ist es wichtig, Mitarbeiter bei der Gestaltung des neuen Unternehmens einzubeziehen: sie sind es, die ein tiefes Verständnis für die Prozesse und Strukturen ihrer jeweiligen Unternehmen besitzen und wissen, welche Abläufe verbesserungswürdig und welche Daten zu migrieren sind. Sie kennen das Marktumfeld und können Lösungsvorschläge erarbeiten und anhand ihrer Erfahrungen richtig einordnen.

Als Berater erleben wir jedoch auch, wie fachliche Expertise und lange Betriebszugehörigkeit das Beschreiten neuer Wege für betroffene Mitarbeiter erschweren. Oft sind Mitarbeiter beider Unternehmensteile von ihren bestehenden Lösungen überzeugt und torpedieren mitunter die objektive Analyse von Alternativen. An dieser Stelle kann externe Unterstützung mit methodischer Kompetenz und der gebotenen Neutralität dabei helfen, neue Blickwinkel zu erlangen, Begeisterung für Neuerungen zu entfachen und Veränderungsprozesse voranzutreiben. Der Umfang der Beratungsunterstützung ist dabei auch in Abhängigkeit der internen Aufstellung zu bemessen – die externe Begleitung sollte dabei jedoch nicht die Aufgaben von internen Mitarbeitern übernehmen, vielmehr ist von ihr eine koordinierende und strukturierende Rolle einzunehmen.

Trotz Erfolgsfaktoren: Eigenreflektion von hoher Bedeutung

Die genannten Punkte können dabei helfen, eine Vielzahl von schwierigen Situationen und Komplikationen gar nicht erst entstehen zu lassen. Da Integrationsprojekte sich jedoch nicht selten über längere Zeiträume erstrecken, kommt es immer wieder zu Konfrontationen und Missverständnissen. Es empfiehlt sich deshalb für alle Beteiligten, das eigene Handeln und dessen Wirkung auf andere immer wieder zu reflektieren und kompromissbereit an Diskussionen heranzugehen.